Brief der SP Stadt Bern an den Gemeinderat: Kundgebungsrecht coronakonform wiederherstellen

Avatar of SP Stadt Bern SP Stadt Bern - 11. Mai 2020 - Sicherheit, Aus dem Präsidium

Bern, 14. April 2020

Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte

Zur Bekämpfung der Covid-Pandemie hat der Bundesrat mit der Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) in Artikel 6 i.V. mit Art. 7 öffentliche und private Veranstaltungen von mehr als 5 Personen grund-sätzlich verboten. Dieses Verbot gilt trotz den Lockerungen bis zum 7. Juni 2020 uneingeschränkt. Auch kleinere Gruppen haben die geltenden Abstands- und Hygieneregeln von zwei Metern einzuhalten.

Diese Massnahmen sind angesichts der Schwere der Covid-19-Krankheit sowie der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten und Impfungen nachvollziehbar. Die Bevölkerung hat diese in den letzten Wochen akzeptiert und umgesetzt.
Wir unterstützen die Behörden auch weiterhin in ihrem Bemühen, Covid-19 in den Griff zu bekommen. Es ist allerdings klar, dass die Verordnungen auf den Schutz der Bevölkerung abzielen und nicht die freie Meinungsäusserung unterbinden wollen oder jegliche Formen politischer Äusserungen im öffentlichen Raum.

In den letzten Tagen gab es in der Stadt Bern verschiedene Kundgebungen, die allesamt aufgelöst wurden – selbst wenn die Zahl von 5 Personen unterschritten worden ist. Dabei sind beispielsweise zwei Rentner angehalten worden, die am 1. Mai mit einer Gewerkschaftsfahne durch die Innenstadt spazierten. Polizeidirektor Reto Nause und Manuel Willi, Regionalleiter der KAPO, verwiesen darauf, dass es diesbezüglich keinen Spielraum gebe. Insbesondere hätten sie die Weisungen der Staatsanwaltschaft zu beachten.

Bei der konkreten Anwendung der Massnahmen im Bereich von Kundgebungen haben die Behörden aber durchaus einen Handlungsspielraum, besonders wenn sich nur einzelne Personen an einer Aktion beteiligen. Das BAG sagte gegenüber dem «Tagesanzeiger» vom 1. Mai 2020: «Denkbar sind alle Formen von politischen Äusserungen, bei denen es zu keinen Menschenansammlungen kommt.»

Darüber hinaus können die zuständigen kantonalen Behörden nach Artikel 7 der Covid-2-Verordnung Ausnahmen vom Veranstaltungsverbot bewilligen, wenn überwiegende öffentliche Interessen dies gebieten.

In seiner Sitzung vom 27. Mai will sich der Bundesrat erneut mit der Versammlungsfrage befassen. Heute startet der zweite Lockerungsschritt. Wir sind daher der festen Überzeugung, dass der Moment gekommen ist, politische Meinungs-äusserungen im öffentlichen Raum im Rahmen der Covid-2-Verordnung und unter Einhaltung der beschränkten Personenzahl zuzulassen. Selbstverständlich unter Berücksichtigung der vom BAG vorgegebenen Abstands- und Hygienevor-schriften.

Wir fordern den Gemeinderat auf, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um die Grundrechtsausübung unter Berücksichtigung der gesundheitspolizeilichen Massnahmen wieder zu ermöglichen. Insbesondere sollen Kleinkundgebungen bis 5 Personen schnellstmöglich wieder zugelassen werden. Dabei sind die Bedingungen der Verordnung bezüglich Abstände und weiterer Massnahmen einzuhalten.

Für unsere Demokratie ist es entscheidend, dass sich unterschiedliche Stimmen auf ihre Weise vernehmen lassen können. Das Recht seine politische Meinung öffentlich kundzutun ist ein hohes Gut. Umso wichtiger, dass wir dies in Bern, dem politischen Zentrum der Schweiz, so leben.

Mit freundlichen Grüssen

Daniel Rauch, Co-Präsident SP Stadt Bern
Edith Siegenthaler, Co-Präsidentin SP Stadt Bern

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.

0 Kommentare