Auszug aus der Rede von Alexander Tschäppät vor der DV der SPS am 27. Februar 2010
Zunächst zum Regionalpolitischen: Zu lange hat der Grossraum Bern versucht, anderen nachzurennen und so sein zu wollen wie die anderen. Das sind wir aber nicht. Wir sind kein Platz der Banken, kein Platz der Chemie. Wir sind der Platz, an dem das Land politisch geführt und gelenkt wird. Wir sind der Platz der Politik. Hier ist der Sitz von Bundesrat, Parlament und Verwaltung; hier ist der Standort der öffentlich-rechtlichen Anstalten, der wichtigen Bundesämter, der grossen Service-Public-Unternehmen, der NGO und der Institutionen wie die Nationalbank, die FINMA oder die Förderagentur für Innovation. Bern ist die Herzkammer der Schweizer Politik. Das ist unsere Stärke. Diese Stärke erscheint allerdings in keiner ökonomischen Studie, sondern wird ausgeblendet. Trotzdem: Politik und Verwaltung sind zentral für die Entwicklung einer Gesellschaft und die Mehrung des Wohlstandes. Es braucht eine Instanz, die mit demokratischem Gestaltungswillen die Marktkräfte reguliert. Es braucht einen Ort, wo die Gesetzesarbeit geleistet und der nationale Zusammenhalt gepflegt wird. Es gibt keine Prosperität und Fairness ohne den modernen Staat und ohne eine demokratisch legitimierte Politik. Dafür steht das politische Bern. Damit wird auch deutlich, weshalb ich sage, dass das Projekt „Hauptstadtregion Schweiz“ viel zu tun hat mit sozialdemokratischen Positionen und Werten. Es ist ein Bekenntnis zum sozialen und leistungsfähigen Rechtsstaat. Es ist eine Bekräftigung der Einsicht, dass das Politische von zentraler Bedeutung für das Leben der Menschen ist. Der moderne Wohlfahrtsstaat ist eine Errungenschaft – eine Errungenschaft, die wir uns nicht weitere zwanzig Jahre schlecht reden lassen wollen. Mit dem Projekt „Hauptstadtregion Schweiz“ sagen wir: Wir wollen keinen magersüchtigen Staat, der von einer neoliberalen Wirtschaftspolitik und einem konservativen Gesellschaftsbild geprägt wird und der seine Bürgerinnen und Bürger ausgerechnet dann im Stich lässt, wenn es darauf ankommt. Genau das tut derzeit die bürgerliche Mehrheit im Bundeshaus: Mitten in der Krise will sie die Pensionen kürzen und das Arbeitslosengeld streichen. Was wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, ist ein Staat, der den Ausgleich schafft zwischen Arbeit und Kapital, der die Umverteilung von oben nach unten als vornehme Pflicht begreift und der als Schutzverband der Mehrheit gegen die Willkür der Mächtigen auftritt. Der Staat soll ausnahmslos allen Menschen Lebenschancen eröffnen. Das ist unsere Vorstellung vom modernen Staatswesen. Und das widerspiegelt sich im Projekt „Hauptstadtregion Schweiz“. Dass ein solcher Staat ein Gebot der Stunde ist, hat uns der Kollaps der Finanzindustrie vor Augen geführt. Die globalisierten Gesellschaften sind höchst störungsanfällig und verletzlich und mehr denn je angewiesen auf verlässliche staatliche Strukturen, die als Gerüst das Ganze zusammenhalten. Ohne die staatlichen Interventionen unserer Nachbarn würde heute globale Destabilisierung herrschen. Wer da immer noch von der „Weniger-Staat-Ideologie“ träumt, hat nicht begriffen, was geschehen ist. Umso mehr gilt es, sich auf das Primat der Politik zu besinnen. In einer modernen Demokratie ist und bleibt die Politik die Königsdisziplin. Das betonen wir mit dem Projekt „Hauptstadtregion Schweiz“. Es ist eine gute Sache, wenn Menschen einer Partei beitreten und sich für eine sozialere Welt engagieren. Es ist eine gute Sache, wenn sich Menschen bei ihrer Berufswahl für die öffentliche Verwaltung und den Dienst an der Gemeinschaft entscheiden. Und es ist eine gute Sache, wenn sich Politikerinnen und Politiker dafür einsetzen, dass die Gesellschaft nicht in Gewinner und Verlierer gespalten wird. Die demokratisch legitimierte Politik ist die einzige Instanz, die es vermag, die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Solidarität immer wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nachdem die Politik jahrelang desavouiert worden ist, gilt es, ihr nun jene Bedeutung zurückzugeben, die sie verdient. In diesem Sinne markiert das Projekt „Hauptstadtregion Schweiz“ auch die Hoffnung nach einem Paradigma-Wechsel.